Forschung: Nicht alle Alarmierungen sind gleichermaßen effektiv

17.12.2024

Einige Warntöne und Alarmsignale sorgen für erhöhte Reaktionsfähigkeit

Alarmierungen müssen unmittelbar erkannt und verstanden werden. Denn wer im Notfall zu spät gewarnt wird oder den Ernst der Lage nicht versteht, ist unter Umständen in Lebensgefahr. Eine zweistufige Studie zeigt jetzt: Es gibt Unterschiede in der Wirksamkeit von Warntönen und akustischen Warnsignalen. Die Untersuchungen liefern neue Erkenntnisse für die Gestaltung von Alarmierungssystemen. Diese könnten künftig für noch mehr Sicherheit sorgen, indem sie über ein optimales Signaltondesign dazu beitragen, dass Menschen auch unter Stress ‒ und das ist ein Notfall immer ‒ schnell und richtig handeln.

Die Studie schließt eine Lücke in der Erforschung von Alarmtönen und wurden im Rahmen des Forschungsprojektes BRAWA (Brandschutz durch Helfermotivation und geringe Brandwahrscheinlichkeiten) durchgeführt. Bisher fehlten fundierte Kenntnisse darüber, wie akustische Signale das Situationsbewusstsein, die Interpretation und die Handlungsabsicht von Menschen beeinflussen. Genau hier setzt das Projekt an: „Ziel war es herauszufinden, welche Töne bei Alarmierungen idealerweise eingesetzt werden sollten, um die Wahrnehmung und Reaktionsbereitschaft der betroffenen Personen zu verbessern. Zudem haben wir untersucht, ob und wie Sprachansagen dazu führen, dass Betroffene die Warnungen besser interpretieren und eine stärkere Handlungsmotivation zeigen“, erklärt Dr. Sebastian Festag, Risikoforscher bei Hekatron und Projektbeteiligter.

Gängige Tonmuster auf dem Prüfstand
Getestet wurden acht Alarmierungstonmuster, die teilweise bereits in der Praxis verwendet werden, mit unterschiedlichen Frequenzen sowie die Kombination von Alarmierungstönen und Sprachansagen. Die Studie bestätigt, dass der Einsatz bestimmter Alarmtöne für eine schnelle und präzise Reaktion in Notfällen hilfreich ist. Zudem konnte festgestellt werden, dass Sprachansagen für zusätzliche Klarheit sorgen und die Handlungsbereitschaft verstärken. Ein Sprachalarm unterstützt demnach die Phase, in der eine Person die Absicht entwickelt, zu handeln. 

„Die Ergebnisse zeigen, dass ein Alarmton dann besonders gut wahrgenommen wird, wenn er unmittelbar als typische Warnung zugeordnet werden kann und zudem einen hohen Erregungsgrad bewirkt, Menschen also emotional direkt anspricht. Sirenenähnliche Tonmuster und solche mit alternierenden Schrittweiten zeigen im Zusammenhang mit Brandalarmen in der Studie die höchste Wirksamkeit“, fasst der Wissenschaftler zusammen. Erneut erwies sich ein breites Frequenzspektrum mit hohen und tiefen Frequenzen zwischen dem Bereich unterhalb von 1000 Hertz und oberhalb von 3000 Hertz als effektiv, um die emotionale Reaktion zu verstärken und auch Menschen mit altersbedingten Hörverlusten zu erreichen. In den Versuchen zeigten sich drei der acht getesteten Tonmuster besonders wirkungsvoll (S2, S5 und S7, s. Tabelle). Der Ton S3, eine Pieptonfolge (T-3 Muster mit unterschiedlichen Frequenzen), dagegen wirkte nur mäßig effektiv, weil er leicht mit anderen Umgebungsgeräuschen verwechselt werden kann. 

Abnahme der Brandsterbefälle durch Alarmierungen
Wird ein Brand früh erkannt und funktioniert die Alarmierung schnell und zuverlässig, dann reduziert sich die Zahl der Brandsterbefälle deutlich. „Vergleichen wir Haushalte mit und ohne Rauchwarnmelder, sehen wir eine Abnahme der Sterbefälle durch Brände um 50 Prozent in den ausgestatteten Objekten“, erklärt Dr. Festag. Doch der Warnton des Rauchwarnmelders oder von Brandmeldern einer Brandmeldeanlage sollte sich eindeutig vom Piepen eines rückwärtsfahrenden LKW, eines Weckers oder anderer Hintergrundgeräusche unterscheiden, zeigen die Studien. Nur 120 Sekunden ‒ dieses knappe Zeitfenster muss im Ernstfall reichen, um sich vor dem gefährlichen Brandrauch und -gas in Sicherheit zu bringen, die bei einem Gebäudebrand entstehen. Daran wird deutlich, dass die Wahl des richtigen Alarmsignals von entscheidender Bedeutung sein kann.

Über das Forschungsprojekt 
BRAWA (Brandschutz durch Helfermotivation und geringe Brandwahrscheinlichkeiten) konzentrierte sich auf den Schutz historischer Gebäude vor Bränden. Der Forschungsverbund mit Partnern aus Industrie und Forschung sowie assoziierten Partnern untersuchte die technischen Möglichkeiten und ein Helferkonzept für die Brandfrüherkennung und Brandbekämpfung bei historischen Bauten. Denn Burgen, Schlösser, Kirchen oder Museen sind besonders brandgefährdet. Das Forschungsprojekt wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Sicherheitsforschungsprogramms von Januar 2021 bis Ende April 2024 gefördert. Für beide Studien zur Alarmierung wurden diverse Teilnehmergruppen rekrutiert, die durch ein Online-Tool mit verschiedenen Alarmtönen und – in einer Gruppe – Hintergrundgeräuschen konfrontiert wurden. Dies ermöglichte eine realistische Prüfung der Wirksamkeit der Töne.

Bildmaterial:

  • Bild 1: Verwendete Tonmuster der Studie im Rahmen des Forschungsprojektes BRAWA.
  • Bild 2: Dr. Sebastian Festag, Risikoforscher bei Hekatron Brandschutz
  • Bild 3: Das Forschungsprojekt BRAWA konzentrierte sich auf den Brandschutz historischer Gebäude.
  • Bild 4: Zwischen der Wahrnehmung eines Warnsignals und der richtigen Handlung liegen komplexe kognitive Schritte.